
Einigung "in letzter Minute": Tarifabschluss für nordwestdeutsche Stahlindustrie

Es war eine Einigung "buchstäblich in letzter Minute": Die Tarifparteien der nordwestdeutschen Stahlindustrie haben sich in der Nacht zum Mittwoch in der vierten Verhandlungsrunde auf einen Abschluss geeinigt, wie beide Seiten mitteilten. Um Mitternacht war die Friedenspflicht in der Branche ausgelaufen - ab Mittwoch wären Warnstreiks möglich gewesen. Der Abschluss dürfte laut IG Metall zeitnah auch in Ostdeutschland übernommen werden.
Der Arbeitgeberverband Stahl erklärte, die Verhandlungen in der Nacht zum Mittwoch seien "ungewöhnlich kontrovers" gewesen. Er sprach von einem Ergebnis in "buchstäblich letzter Minute". Laut IG Metall dauerte die Verhandlungsrunde acht Stunden.
Nun sollen die rund 70.000 Beschäftigten in der nordwestdeutschen Stahlindustrie ab Januar 1,75 Prozent mehr Lohn erhalten. In den drei Monaten bis dahin gibt es drei Nullmonate. Der Tarifvertrag soll bis Ende 2026 und damit 15 Monate laufen. Die Ausbildungsvergütungen sollen überproportional um 75 Euro pro Monat steigen. Bei der IG Metall müssen noch Tarifkommission und Vorstand zustimmen, beim Arbeitgeberverband hat der Vorstand dies bereits getan, wie Hauptgeschäftsführer Gerhard Erdmann AFP sagte.
Die IG Metall Nordrhein-Westfalen betonte, die Tarifverträge zu Beschäftigungssicherung, Werkverträgen und Altersteilzeit seien verlängert worden. Darin sind demnach unter anderem die Übernahme der Auszubildenden, Arbeitszeitabsenkung auf bis zu 28 Stunden mit Teilentgeltausgleich, Arbeitszeitkonten beziehungsweise die Altersteilzeit geregelt.
Der Arbeitgeberverband erklärte, der Abschluss bedeute eine Gesamtbelastung der Unternehmen über die Laufzeit, "die in der aktuellen wirtschaftlichen Lage nur schwer zu verkraften ist". Der Verbandsvorsitzende Reiner Blaschek betonte aber, der Kompromiss verschaffe den Unternehmen "ein gewisse Planungssicherheit für das Gesamtjahr 2026".
Der Verhandlungsführer der IG Metall, Knut Giesler, erklärte, "Bedauerlicherweise" habe es vier Verhandlungsrunden gebraucht, um zu dem Ergebnis zu kommen. "Zum Glück haben sich am Ende alle ihrer Verantwortung gestellt." Das Ergebnis trage "der besonderen Situation im Stahl" Rechnung.
Giesler betonte, die Tarifparteien hätten einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit der Beschäftigten und Stabilisierung der Stahlindustrie geleistet. "Jetzt ist die Politik gefordert, schnell die richtigen Rahmenbedingungen für den Stahl zu schaffen." Nötig seien "ein schnell umgesetzter Industriestrompreis, schleunigst greifbare Projekte aus dem Investitions-Sondervermögen und drittens eine europäische Antwort auf Zollkrise und Billigstahl-Importe", erklärte IG-Metall-Tarifvorständin Nadine Boguslawski.
Die Stahlbranche steckt in der Krise. Sie leidet unter den hohen Energiepreisen in Deutschland, dazu kommen weltweite Überkapazitäten, billige Importe und hohe US-Zölle.
Parallel zu den Verhandlungen für den Tarifbezirk Nordwest liefen in den vergangenen Wochen auch die Verhandlungen für rund 8000 Beschäftigte in der ostdeutschen Stahlindustrie. "Es wird erwartet", dass der Abschluss im Nordwesten "zeitnah übernommen wird", teilte die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen mit. Die formellen Übernahmeverhandlungen dürften kommende Woche stattfinden.
In der deutschen Stahlindustrie arbeiten laut IG Metall bundesweit 82.000 Beschäftigte mit Tarifvertrag. Mitte November startet die Stahl-Tarifrunde für das Saarland; auch hier orientieren sich die Tarifparteien am in NRW erzielten Abschluss.
M.Hill--SFF