
Aktivisten werfen Regierungskräften in Syrien Exekutionen von drusischen Zivilisten vor

Im eskalierenden Konflikt zwischen unterschiedlichen Volksgruppen sowie Regierungstruppen in Syrien haben Aktivisten den Regierungstruppen die "Hinrichtung" von Zivilisten vorgeworfen. Unter den mehr als 200 Toten seit Ausbruch der Kämpfe in der südlichen Provinz Suwaida seien auch 21 willkürlich hingerichtete Zivilisten der religiösen Minderheit der Drusen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstagabend. Israel, das als Schutzmacht der Drusen auftritt, flog erneut Angriffe auf die syrische Armee.
Seit Sonntag seien mindestens 203 Menschen getötet worden, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Es handele sich um 92 Mitglieder der religiösen Minderheit der Drusen, darunter 21 willkürlich hingerichtete Zivilisten, sowie 18 Beduinen und 93 Mitglieder des staatlichen Sicherheitsapparats.
Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten vor Ort. Ihre Angaben können oft nicht unabhängig überprüft werden.
In der südlichen Provinz Suwaida waren am Sonntag Kämpfe zwischen Drusen und sunnitischen Beduinen ausgebrochen. Die islamistische Regierung in Damaskus schickte daraufhin am Montag Soldaten in die Provinz Suwaida. Am Dienstagmorgen rückten die Regierungstruppen in die gleichnamige Provinzhauptstadt vor, darunter auch in zivil gekleidete Kämpfer. Kurz danach eskalierte die Gewalt.
Die Beobachtungsstelle wirft den Regierungstruppen "Hinrichtungen" von Zivilisten vor. In einem Gästehaus in der Provinzhauptstadt etwa hätten Regierungstruppen zwölf Zivilisten exekutiert. Eine Videoaufnahme, deren Echtheit nicht überprüft werden konnte, zeigt mindestens zehn blutüberströmte Menschen in Zivilkleidung, auf dem Boden liegen zerstörte Möbel und Bilder von drusischen Würdenträgern.
Ein AFP-Reporter berichtete aus Suwaida von am Boden liegenden Leichen und Schüssen. Ein Einwohner von Suwaida sprach in einem Telefonat mit AFP ebenfalls von Exekutionen sowie niedergebrannten Häusern und Geschäften. Der Chefredakteur der lokalen Nachrichtenwebsite "Suwayda 24", Rayan Maaruf, ging von "Dutzenden" getöteten Zivilisten aus.
Zwischen sunnitischen Beduinen und der Minderheit der Drusen in Suweida gibt es schon seit langer Zeit Konflikte, die immer wieder in Gewalt münden. Mitglieder der sunnitischen Beduinenstämme hatten laut Beobachtungsstelle bei früheren Auseinandersetzungen auf der Seite der syrischen Sicherheitskräfte gekämpft.
In den gegenwärtigen Konflikt hat sich auch das Nachbarland Israel eingeschaltet, das als Schutzmacht der Drusen auftritt. Am Dienstag griff die israelische Armee Militärfahrzeuge von syrischen Regierungstruppen in der Stadt Suwaida an.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz legten in einer gemeinsamen Erklärung dar, dadurch sollten die Drusen vor Angriffen des "syrischen Regimes" geschützt werden. Außerdem gehe es darum, "die Entmilitarisierung des Gebiets an unserer Grenze zu Syrien sicherzustellen".
Angehörige der im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangenen religiösen Minderheit leben auch in Israel sowie auf den von Israel besetzten Golanhöhen in Syrien. Anders als andere arabische Israelis dienen Drusen auch in der israelischen Armee.
Das syrische Außenministerium erklärte, bei "heimtückischen" Angriffen Israels seien mehrere Soldaten und andere Sicherheitskräfte, aber auch "unschuldige Zivilisten" getötet worden. Syrien machte Israel für die daraus erwachsenden "Konsequenzen" verantwortlich und verwies auf sein Recht auf Selbstverteidigung.
Das syrische Innenministerium erklärte am Dienstagabend, es gebe "in bestimmten Vierteln" von Suwaida Auseinandersetzungen. Die mit religiösen Führern getroffenen Vereinbarungen zur Wiederherstellung der Ruhe würden "verletzt".
Der US-Sondergesandte für Syrien, Tom Barrack, nannte die Auseinandersetzungen "besorgniserregend". Die US-Regierung bemühe sich um eine friedliche Beilegung des Konflikts, welche die Interessen aller Seiten berücksichtige, erklärte er im Onlinedienst X.
Seit dem Sturz von Assad hat die Sorge um die Rechte und die Sicherheit von Minderheiten in dem Land zugenommen. Im April und Mai waren bei Gefechten zwischen Anhängern der neuen islamistischen Regierung in Damaskus und den Drusen dutzende Menschen getötet worden. Im März waren bei Massakern in den vorwiegend von Angehörigen der Alawiten bewohnten Regionen im Westen Syriens mehr als 1700 Menschen getötet worden.
T.Rivera--SFF