
Kontroverse Debatte um Zurückweisungen an den Grenzen

Die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angekündigten Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen haben eine kontroverse Debatte ausgelöst. Unionsvertreter verteidigten am Donnerstag das Vorgehen - Kritik dagegen gab es aber auch aus den Reihen des Koalitionspartners SPD. Protest hatte es zuvor bereits aus den Nachbarländern Polen und Schweiz gegeben.
Dobrindt habe wie versprochen die "Asylwende" eingeleitet, sagte CSU-Chef Markus Söder in einem auf X veröffentlichten Video. Damit gelte wieder die Rechtslage wie vor dem Jahr 2015. "Es steht wieder das Recht an erster Stelle."
Der neue Bundesinnenminister hatte am Mittwoch nochmals verschärfte Grenzkontrollen angekündigt, um die Flüchtlingszahlen zu senken. Dazu sollen mehr Bundespolizisten an der Grenze stationiert und fortan auch Asylbewerber zurückgewiesen werden. Ausnahmen sollen es für Kinder und Schwangere geben.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede rechnete aber nicht damit, dass nun Asylsuchende im großen Stil zurückgewiesen werden. Dobrindt habe zwar den Ermessensspielraum für die Grenzbeamten ausgeweitet, sagte die Innen- und Rechtsexpertin im Deutschlandfunk. Die Zurückweisung bei Asylgesuchen bleibe jedoch "europarechtswidrig" und könne nur "in Absprache mit den europäischen Partnern erfolgen".
Die Polizisten an der Grenze würden die komplizierte Rechtslage bei Zurückweisungen kennen, sagte Eichwede, die vor ihrem Einzug in den Bundestag als Richterin tätig war. Dobrindt habe auch keine ausdrückliche "Anweisung an die Bundespolizei" erteilt zurückzuweisen. "Ich gehe davon aus, dass die Beamten an den Grenzen es deshalb weiterhin nicht tun werden."
Der Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz, sagte hingegen, aus seiner Sicht sei durch Dobrindts Vorgehen nun Rechtsklarheit hergestellt. Damit werde "die Bundespolizei konsequenter an den Grenzen zurückweisen können", sagte er der Zeitung "Welt" (Freitagausgabe). Deutschland habe auch mit sämtlichen Anrainerstaaten dafür Rücknahme-Vereinbarungen. Damit könne die Bundespolizei Zurückweisungen vornehmen, "bis möglicherweise ein Gericht etwas anderes entscheidet".
Nach Dorbrindts Ankündigung hatte es allerdings umgehend Kritik aus Nachbarstaaten gegeben. Die schweizerische Regierung erklärte, systematische Zurückweisungen an der Grenze verstießen "gegen geltendes Recht". Sie bedauerte die "ohne Absprache" getroffenen Maßnahmen. Polens Ministerpräsident Donald Tusk sagte beim Antrittsbesuch von Kanzler Friedrich Merz (CDU), sein Land werde nicht akzeptieren, dass andere Staaten Gruppen von Migranten nach Polen schickten.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) versicherte darauf am Donnerstag, dass Deutschland eine Verschärfung der Migrationspolitik nicht gegen den Willen des Nachbarlands Polen durchsetzen werde. "Das werden wir natürlich miteinander besprechen", sagte Wadephul im Deutschlandfunk. Die Bundesregierung werde hier "Schritt für Schritt" vorgehen. Änderungen erfolgten dabei "bewusst und auch bedacht" und "immer in Abstimmung mit europäischen Freunden und Kollegen".
Grünen-Chefin Franziska Brantner kritisierte die Zurückweisung von Asylsuchenden. Es sei "nicht akzeptabel", wenn Deutschland nicht mit den Nachbarländern gemeinsam handele, sagte sie den Sendern RTL und ntv. Auch die Wirtschaft werde unter ausgeweiteten Grenzkontrollen leiden. Zudem frage sie sich, "wo diese ganzen vielen Beamten (...) abgezogen werden, die jetzt an die Grenze kommen." Für ein "Signal an der Grenze" würden sie nun an Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Kriminalitätsschwerpunkten fehlen.
AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann warf Kanzler Merz im Sender Welt TV "eine große Täuscherei" vor. Denn dieser habe "ausdrücklich nicht umgesetzt, was er im Wahlkampf versprochen hatte: Zurückweisung aller Asylmigranten an den Grenzen".
Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl kritisierte unter Berufung auf eigene Beobachtungen an der deutsch-polnischen Grenze, dass es dort schon vor Dobrindts Ankündigungen "rechtswidrige Zurückweisungen" gegeben habe - "auch von besonders schutzbedürftigen Menschen". Betroffene seien nach eigenen Angaben auf die polnische Seite zurückgeschickt worden, obwohl sie versucht hätten, einen Asylantrag zu stellen.
T.Rivera--SFF